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1. In Kürze 2. Grundlagen der technischen Plausibilitätsprüfung 3. Beispielbetrachtung



Ternica ProVida 2000 modular

Plausibilitätsbetrachtung


In aller Kürze ...

Die Messanlage ProVida 2000 modular bestimmt die Eigengeschwindigkeit des Einsatzfahrzeuges / Nachfahrfahrzeuges anhand einer Wegstreckenmessung und einer Zeitmessung. Die Einzelwerte werden im Beweisvideo zeitsynchron dokumentiert.

In einem Gutachten ist neben anderen Prüfungen auch die messtechnische Korrektheit dieser Einzelwerte und damit des angezeigten Messbetrages zur Geschwindigkeit erforderlich.

Hinsichtlich der Zeitbasis kann messtechnisch zulässig der im Videobild dokumentierte Bildzähler herangezogen werden. Die PAL-Bildfrequenz wird einerseits permanent überwacht und andererseits sind diesbezügliche Abweichungen im Videobild gut erkennbar. Bereits gering abweichende Zeitbezüge führen beispielsweise zu einer fehlerhaften Farbdarstellung oder einem Graustufenbild im Video.

Die Richtigkeit der Wegstreckenmessung kann an der Messanlage zum Gutachtenzeitpunkt kaum mit zulässigen Rückschlüssen auf den Messzeitpunkt geprüft werden. Zudem bezöge sich eine solche Prüfung auch nur auf das Einsatzfahrzeug. Die Übertragbarkeit auf das Tatfahrzeug bedürfte einer expliziten Betrachtung.
Näherliegend ist hier eine alternative Wegmessung anhand von Streckenpunkten. Das Video muss allerdings eine hinreichende Positionszuordnung zwischen Tatfahrzeug und Streckenpunkt ermöglichen, was die Forderungen nach einer sachgerechten Bildqualität und der Einhaltung der Mindestabbildungsgröße des Tatfahrzeuges (link) stützt. Weiterhin muss der auf den Fahrbahnverlauf bezogene Abstand der Streckenpunkte durch eigene Vermessungen oder anhand von maßstäblichen Luftbildaufnahmen bestimmbar sein. Dieser alternative Wegstreckenwert ist unabhängig vom Einsatzfahrzeug und der Messanlage.

Unter Verrechnung der alternativ ermittelten Wegstreckenlänge und der zugehörigen Bildabstandszeit ergibt sich eine weitestgehend objektive Durchschnittsgeschwindigkeit, die zur Plausibilisierung des konkreten Messbetrages herangezogen werden kann. Da sich diese Alternativmessung direkt auf das gemessene Fahrzeug bezieht, besteht kein Bedarf einer Diskussion hinsichtlich einer Übertragbarkeit vom Einsatzfahrzeug auf das Tatfahrzeug.


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2. Grundlagen der technischen Plausibilitätsprüfung

Eine technische Messung der Anlage ProVida 2000 modular basiert auf einer Wegstreckenerfassung und einer Zeitmessung. Beide Module sind unabhängig und besitzen daher auch separate Eich- und Verkehrsfehlergrenzen.

Im Rahmen eines Gutachtens wäre die Messrichtigkeit dieser in das Videobild eingeblendeten Messgrößen nachzuweisen. Solche Nachweise sind retrospektiv, insbesondere nach einer zwischenzeitlichen Eichung / Kalibrierung, kaum sachlich möglich.

Mit Bezug auf die Genauigkeit der Wegstrecke sind nach einer Neukalibrierung der Wegimpulszahl kaum Rückschlüsse auf den Tatzeitpunkt möglich. Hier können ausschließlich Plausibilitätsprüfungen anhand des vorliegenden Beweisvideos vorgenommen werden, insofern dieses über eine sachgerechte Bildqualität verfügt.
Beispielsweise könnte das im Video dokumentierte Passieren von zwei besonderen Wegpunkten (Schilderbrücken, Brücken, Abfahrten, Trennlinienmarkierungen mit der genormter Periode etc.) herangezogen werden, um einerseits die im Video dokumentierte gemessene Entfernung mit alternativen Vermessungen zu vergleichen. Hierbei würde allerdings nur die Wegmessung geprüft werden.
Forensisch wertvoller ist der direkte Bezug auf das Tatfahrzeug. Das heißt, dass im Video das Passieren von Streckenpunkten des Tatfahrzeuges als alternatives Messbeginnbild und alternatives Messendebild zu identifizieren ist. Der reale Abstand der beiden gewählten Streckenpunkte entlang des Fahrbahnverlaufes ist möglichst objektiv über eigene Vermessungen oder maßstäbliche Luftbildaufnahmen zu ermitteln. Es kann mit einem zuverlässigen Zeitbezug eine alternative Durchschnittsgeschwindigkeit berechnet werden, die sich direkt auf das Tatfahrzeug bezieht. Eine technische Diskussion zur Übertragbarkeit vom Einsatzfahrzeug auf das Tatfahrzeug ist nicht notwendig.

Hinsichtlich der Zeitmessungen gestaltet sich der forensische Nachweis etwas problematischer. Hier sind keine retrospektiven Prüfungen möglich – auch nicht anhand des Beweisvideos.
Die Beweiskameras, die Messanlage sowie der Videorekorder zur Aufzeichnung, aber auch das Abspielmedium besitzen eine eigene Zeitbasis. Aus diesem Grund kann vom aktenkundigen Beweisvideo nicht auf die messrelevante Zeitzählung der Messanlage geschlossen werden.
Es liegt jedoch eine gewisse „Verkettung“ der Zeitbasen vor. So kann zumindest geschlussfolgert werden, dass im Falle des Synchronlaufes der Dateneinblendungen zur Wegstrecke, Uhrzeit und Bildnummer (Prüfungen zur elektronischen Funktion) auch die Tatkamera zeitsynchron zur Messanlage gelaufen ist.
Da die Tatkamera die PAL-Norm zu erfüllen hat, liegt ein Vollbildtakt von 25 Hz vor, der für eine alternative Geschwindigkeitsbestimmung unter Verarbeitung der bereits aufgeführten Alternativwegstrecke herangezogen werden kann.

Da die Kamera und der Videorekorder einen eigenen Zeittakt aufweisen, würden sich Bildfehler ergeben, wenn die Kamera und/oder der Videorekorder eine Abweichung von der PAL-Norm aufweisen würden.
Ein sehr empfindliches Indiz für eine Zeitabweichung, dass heißt, für einen Fehler im Zeitsystem wäre das Vorliegen eines Graustufenbildes im Video. Das Farbsignal ist gegenüber der Helligkeitsinformation hochfrequent und damit kritisch. Jede Abweichung führt zu einem Verlust der Farbinformation. Ein Graustufen-Beweisvideo ist daher für einen forensischen Nachweis kaum geeignet.

Liegt dagegen ein stabiles Farbbild im Beweisvideo vor, kann davon ausgegangen werden, dass der Bildtakt der Kamera und des Rekorders der PAL-Norm entsprachen und der Bildzähler als von der Messanlage unabhängiger Zeitgeber herangezogen werden kann. An dieser Stelle ist auch auf die periodischen internen Prüfungen der Zeitbasen sowie der entsprechenden Fehlermeldungen hinzuweisen.

Aus der Alternativstrecke und dem Zeitfortschritt gemäß Bildzähler kann eine Geschwindigkeit zur Plausibilität berechnet werden. Es kann sich jedoch nur um eine Plausibilität handeln, da die Wegstreckenermittlung über Start-Stop-Punkte im Videobild äußerst toleranzbehaftet sein kann.


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3. Beispielbetrachtung

Nachfolgend soll ein Beispiel die Verfahrensweise erläutern. Der in den Videobildern ersichtliche Pkw wurde mehrfach hintereinander gemessen.
In der verfahrensgegenständlichen Messung passierte das Fahrzeug eine große prägnante Doppelbeschilderung und im weiteren Fahrverlauf endete mit einer Sperrfläche der Linke von zwei Fahrstreifen. Zeitlich nach der Messung unterquerte der Pkw ein Brückenbauwerk.

Die Positionszuordnung, d.h. die Identifizierung des Videobildes, in welchem der Pkw tatsächlich auf Höhe der Beschilderung als alternativer Messbeginn gezeigt wird, ist erkennbar tolerant. Dies liegt einerseits darin, dass das Fahrzeug im Sinne der Anforderungen an die Abbildungsgröße (siehe 4133) viel zu klein dokumentiert wurde und der Fußpunkt der Beschilderung nicht erkennbar ist. Hier kann lediglich anhand des Bildflusses geschätzt werden.
Bei der Unterquerung des Brückenbauwerks als alternatives Messende gestaltet sich die Zuordnung etwas vereinfachter. Hier ist im Video ein Schattenwurf erkennbar, der unter Beachtung der Mittagssonne im September nicht erheblich versetzt anzunehmen ist.

ProVida - Wegstreckensensor am Rad

Die Messörtlichkeit ist bei verschiedenen Dienstleistern (Google, TomTom etc.) als maßstäbliche Luftbildaufnahme verfügbar. Die Bildauflösung ist ausreichend, die Messstrecke sowie die Beschilderung als auch das Brückenbauwerk einwandfrei zu identifizieren. Sodann kann der auf den Fahrbahnverlauf bezogene Abstand als alternativer Wegstreckenmesswert bestimmt werden.
Aufgrund der Unwägbarkeiten bei der Positionsbestimmung des Pkw wird hier pauschal eine Toleranz von ±5 % eingeführt. Die Wegstrecke zwischen der Beschilderung und dem Brückbauwerk konnte zu 778 m ±5 % bestimmt werden.

ProVida - Wegstreckensensor am Rad

Wird der Zeitbedarf gemäß dem Videobildzähler von 16,8 s mit der Wegstrecke verrechnet, ergibt sich eine Durchschnittsgeschwindigkeit von [158 - 175] km/h. Dieser Bereich bestätigt den tolerierten amtlichen Messwert von [157 – 175] km/h aus 166,66 km/h ±5%, der ungefähr im gleichen Streckenabschnitt ermittelt worden ist.

Eine Herabsetzung der pauschal angesetzten Wegtoleranz von 5 % wäre nur bei einer deutlich besseren Bildperspektive auf das gemessene Fahrzeug sowie einer dezidierten / eigenen Vermessung der auf den Fahrbahnverlauf abgestellten Entfernung mit bekannten Messtoleranzen.

Diese Methodik der Plausibilisierung bezieht sich zudem nicht auf das Einsatzfahrzeug, sondern auf das gemessene Fahrzeug. Eine „Übertragbarkeit“ durch Abstandsveränderungen muss nicht betrachtet und diskutiert werden.